BarCamp Ruhr – es ist wieder da!

Das BarCamp Ruhr gilt als eines der ältesten und renommiertesten BarCamps in der deutschen BarCamp-Szene. Die Teilnehmeranzahl ist angenehm groß, die Tickets waren immer schnell vergriffen und im Essener Unperfekthaus fallen rund 200 Personen auch nicht so schnell auf, die perfekte Location also. Doch letztes Jahr gab es zwar einen lange angekündigten Termin, dennoch musste das BarCamp leider ausfallen. Lange war nicht bekannt, wie es weitergehen soll. Wird es einen späteren Termin im Jahr geben? Leider fiel das BCRuhr 7 (2014) dann komplett ins Wasser und dankenswerter Weise übernahmen Berthold und Maik das Zepter und ließen am vergangenen Wochenende das BCRuhr wieder neu aufleben. Trotz des Ausfalls im letzten Jahr war für jedermann klar, dass es dieses Jahr nicht #bcruhr7, sondern nur #bcruhr8 heißen kann. Denn vor 8 Jahren (!) wurde das BarCamp Ruhr in Essen aus der Taufe gehoben.

Doch das neue Orgateam hatte es nicht einfach. Fällt ein Camp ein Jahr lang aus und sind die Ansprechpartner auf einmal völlig neu, so scheint sich dies unmittelbar auf das Sponsoring auszuwirken. Es war lange nicht klar, wie groß das Camp dieses Jahr werden würde. Eine erste Ticketwelle von 50 Tickets war – wie vorherzusehen – schnell vergriffen. Weitere Tickets waren aber wegen mangelndem Sponsoreninteresses an dem allgemeinen BarCamp unsicher. Unterstützertickets boten da der Orga finanzielle Hilfe und Interessierten trotz ausverkauftem Camp einen Platz. Eine gute Idee und kann durchaus auch von vornherein als Ticketkategorie angeboten werden, so das Fazit nach dem Wochenende. Schließlich konnte mit Hilfe der Community rund um das etablierte BarCamp eine weitere Ticketrunde freigegeben werden. So war das Unperfekthaus vor allem am Samstag proppenvoll mit Teilnehmern. Der Sonntag war verständlicherweise etwas weniger gut besucht. Nicht jeder hat die Zeit, das ganze Wochenende nach einer vollen Arbeitswoche für ein BarCamp zu opfern. Das schöne Wetter und andere verpflichtende Termine werden ihr Übriges dazu beigetragen haben. Dies tat der Qualität aber keinen Abbruch, nicht umsonst wird der Sonntag auf BarCamps oft als „Quality Sunday“ bezeichnet.

Organisatoren des BarCamp Ruhr - Berthold und Maik, Foto: Simon Bierwald via Flickr, CC BY 2.0-Lizenz
Organisatoren des BarCamp Ruhr – Berthold und Maik
Foto: Simon Bierwald via Flickr, CC BY 2.0-Lizenz

Doch was ist ein BarCamp überhaupt?

Ein BarCamp ist ein Konferenzformat, aber eigentlich keine Konferenz. Es ist eine sog. Unkonferenz. Es gibt anfangs nur den Zeitpunkt und den Ort, an dem das BarCamp stattfindet, ggf. handelt es sich um ein Themencamp oder ein allgemeines Camp hat einen Themenschwerpunkt. Das BarCamp Ruhr hatte dieses Jahr als allgemeines Camp den Themenschwerpunkt „Think global, act local.“

Trifft man sich zu einem BarCamp, so ist man als Teilnehmer gleichzeitig Sprecher als auch Zuhörer. Das Programm wird also erst vor Ort von den Teilnehmern erstellt und jeder kann eine Session, also eine Diskussions- oder Fragerunde initiieren und andere angebotene Sessions besuchen. Doch zuerst stellt man sich kurz in einer Vorstellungsrunde vor, bevor man dann seine Sessionideen in der Sessionplanung vorstellt und „pitched“. Denn nur, wenn genügend Interesse an einer Session besteht – sich also genügend Teilnehmer finden – findet die Session auch statt und wird am Sessionboard einem Raum und einer Zeit zugeordnet. Besser erklären kann das aber Jan Theofel, ein alter BarCamp-Hase und Organisator vieler BarCamps in Deutschland:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Das erste BarCamp fand übrigens vor 10 Jahren (2005) in Palo Alto statt und war eine Art Gegenveranstaltung zur elitären Veranstaltungsreihe namens FooCamp (Friends of O’Reilly [Tim O’Reilly]), zu der man eingeladen wird. BarCamps sollen aber nicht elitär sein, jeder kann und soll teilnehmen können, sein Wissen teilen und vom Wissen anderer profitieren. Ein großer sozialer Gedanke ohne kommerzielles Interesse steckte also in der Gründung von BarCamps. Manche kennen vielleicht das nicht unähnliche Format Open Space. BarCamps sind in der Regel aber lockerer organisiert, denn man trifft sich auf Augenhöhe. Foo und Bar sind übrigens Platzhalter und Beispielnamen in der Informatik. Daher stammt der Name BarCamp – quasi ein Nerdwitz. Es hat daher in erster Linie nichts mit Trinken zu tun.

Heute sieht das leider oftmals anders aus, wenn man sich die Liste von BarCamps in Deutschland so ansieht. Auch das BarCamp Ruhr nahm eine geringe Teilnahmegebühr. Dies ist leider oftmals nötig geworden, um eine gewisse Planungssicherheit zu erhalten und die No-Show-Rate der Teilnehmer herabzusetzen. Außerdem ist im Ticket der BCRuhrs der Eintritt für zwei Tage Unperfekthaus inklusive Getränke- und Essensflatrate enthalten gewesen – etwas, wofür man gerne bereit ist zu zahlen. Kenner wissen, wovon ich rede. 😉 Normalerweise werden solche Kosten auch von Sponsoren getragen. Doch nicht immer sind genügend Sponsorengelder für die Veranstaltung und vielleicht noch ein Warm-Up oder eine Abendveranstaltung zwischen den beiden BarCamp-Tagen vorhanden. Bei mittlerweile rund 150 BarCamps und barcampähnlichen Veranstaltungen in Deutschland mit diversen Themen wird es auch immer schwieriger, Sponsoren heran zu ziehen. Viele Firmen veranstalten mittlerweile sogar interne BarCamps und kennen das Format auch, weil interessierte Mitarbeiter in ihrer Freizeit an einem BarCamp teilgenommen haben. Andere Unternehmen müssen von dieser offenen und unkonventionellen Art des Wissensaustausches noch überzeugt werden. Daher: bitte unterstützen Sie BarCamps in Deutschland! Entsenden Sie Mitarbeiter zu den Veranstaltungen oder stellen Sie sogar ein internes BarCamp auf die Beine.

Doch hohe Teilnahmegebühren in Höhe normaler Konferenzen sind mir ein Dorn im Auge. Auch wenn 300-400 Euro in den Augen von größeren Firmen ein Schnäppchen für Konferenzen darstellt, so handelt es sich bei BarCamps immer noch um Unkonferenzen zum unkonventionellen Wissensaustausch für jedermann. Das manche Organisatoren sich daran bereichern wollen und mit den Ticketpreisen auch eine Menge interessierter Menschen ausgrenzen, widerspricht meiner Meinung nach dem Gedanken des BarCamps. Auch Keynotes und vorgefertigte Sessions widersprechen dem Prinzip des BarCamps. Dennoch hat auch ein solch lockeres Format seine Regeln (angelehnt an den Fight Club):

  • 1st Rule: You do talk about BarCamp.
  • 2nd Rule: You do blog about BarCamp.
  • 3rd Rule: If you want to present, you must write your topic and name in a presentation slot.
  • 4th Rule: Only three-word intros.
  • 5th Rule: As many presentations at a time as facilities allow for.
  • 6th Rule: No pre-scheduled presentations, no tourists.
  • 7th Rule: Presentations will go on as long as they have to or until they run into another presentation slot.
  • 8th Rule: If this is your first time at BarCamp, you HAVE to present. (Ok, you don’t really HAVE to, but try to find someone to present with, or at least ask questions and be an interactive participant.)

Die bisher gängige Plattform zur Organisation von BarCamps in Deutschland war übrigens mixxt, die leider dieses Jahr ihre Türen schließt. Viele BarCamps wechseln daher gerade die Plattform, manche zum Nachfolger tixxt, andere auf eigenständige Webpräsenzen. Auch das BarCamp Ruhr hat ein neues, digitales Zuhause auf barcamp.ruhr gefunden. Basierte mixxt grob auf einem Wiki-System, bei dem alle Community-Mitarbeiter mitarbeiten und Inhalte einpflegen konnten, sind jetzt viele Webpräsenzen auf CMS-Basis (z.B. WordPress) aufgesetzt. Doch nicht immer wurde in der Vergangenheit eine solche Community auch gut genutzt. Viel mehr möchte ein Teilnehmer anscheinend Informationen abrufen, der Austausch findet fast ausschließlich auf Twitter unter dem vordefinierten Hashtag (hier: #bcruhr8) statt oder auf der Facebook-Seite sowie dem eventuell passend dazu angelegtem Facebook-Event. Auch daran sieht man, wie sehr sich die Szene noch wandelt. Daher war es um so schöner, dass am Wochenende ein alter Bekannter wieder zu neuem Leben erwachte.

Hello BCRuhr, my old friend

Das BarCamp Ruhr bot eine interessante Mischung aus alten Bekannten und Neulingen, die noch nie auf dem BCRuhr bzw. überhaupt noch nie auf einem BarCamp waren. Manchen ehemaligen „Stammgast“ vermisste man, doch tat dies der Stimmung vor Ort keinen Abbruch. Nach einem kleinen Spielchen, um das Motto „Think global, act local.“ zu verdeutlichen, wussten wir schon einmal grob, wer woher kam und die weiteste Anreise hatte. Leider kostete dies ebenso wie eine sehr ausgedehnte Vorstellungsrunde sehr viel Zeit. Gerade Neulingen sollten immer wieder darauf hingewiesen werden: 3 Hashtags sind 3 Hashtags und die Vorstellungsrunde ist kein Elevator Pitch für Deine Dienstleistung oder Dein Unternehmen. Ein weiterer Kritikpunkt, der in der Abschlusssession am Sonntag aufkam: jeder stellt sich erstmal nur für einen Sessionvorschlag an, für weitere Sessions sollte sich erneut angestellt werden. So wird vermieden, dass durch eine Person anfangs bereits drei Slots im Sessionplan belegt werden, andere dann am Ende das Nachsehen haben (wie am Sonntag geschehen).

Dennoch: tolle Sessions kamen zusammen, auch wenn am Samstag trotz höherer Teilnehmerdichte das Board nicht komplett voll werden wollte. Sonntag hingegen war subjektiv der bessere Tag: Sessions fast im Überfluss und spannendere Themen. Da es sich um ein allgemeines BarCamp handelt, konnten also jegliche Themen vorgestellt werden. Ich selbst hielt eine Session rund um mein „Gründungsdrama“ – in 5 Tagen gezwungenermaßen zur Selbständigkeit. Diese Session nahm irgendwie zwischendurch eine interessante Wendung, als ein Arbeitsamtmitarbeiter einige Einblicke in die Arbeit der Behörde gab.

Doch der Mix war spannend und falls man mal nichts fand oder die gerade angebotenen Sessions doch nicht das Richtige für einen waren, dann zog man weiter, aß sich am Buffet im Unperfekthaus durch und pflegte sein Netzwerk. Persönlich hat mir die Session am Samstag rund um Change Management von Ingo Sauer („Die interne Kommunikation ist tot“) am Meisten etwas gebracht, da ich beruflich auch öfters mit dem Kulturwandel in Unternehmen konfrontiert werde. Digitale Kommunikation führt bei der Einführung im Unternehmen meist zwangsläufig zu einem Wandel, der mit Change Management begleitet werden sollte. Auch half mir sehr, wie andere Selbständige und Kleinunternehmer sich organisieren, welche Tools genutzt werden und welche Probleme auftreten. Dafür großen Dank an Ellen und Sam für ihre Session. Doch auch mein eigenes Wissen floss in Sessions ein, z.B. bei „Wie wird man Social Media Manager“, bei dem Julia wissen wollte, was denn eigentlich Voraussetzungen sind und wie man sich das Berufsleben vorstellen kann. Michaela von echtzeitig.com hat darüber einen eigenen Beitrag geschrieben ebenso Anwältin Astrid Christofori. Beide Beiträge sind bestimmt auch für andere angehende Social Media Manager interessant. Ebenso spannend und informativ war „Twitter für Newbies“ am Sonntag, bei der viel Wissen zusammengetragen werden konnte (an dieser Stelle möchte ich auf meine Reihe Twitterlexikon aufmerksam machen, in der ich nach und nach die Grundbegriffe und Mechaniken von Twitter erkläre).

Doch nicht nur die digitale Filterblase war vertreten. Auch die (Hobby-)Fotografen hatten eine Art Selbsthilfegruppe zum Thema Ablage von Bildern und Bildorganisation. Generell wurden in vielen Sessions auch alternative Arbeitsweisen, alternative Finanzierungen (z.B. Crowdfunding) und Formen der Zusammenarbeit, z.B. zwischen Unternehmen und Bloggern (Blogger Relations) besprochen. Doch auch rein private Interessen fanden ihren Weg: von den alternativen Beziehungsformen, Impfgegner verstehen, Lieder im Selbstbau, Tesla 2.0 (Elektroauto) bis hin zum Whisk(e)y-Tasting und, und, und…

Fazit zum BarCamp Ruhr 8

Alles in allem ein wieder rund um gelungenes BarCamp, das von der guten Orga und den tollen Teilnehmern lebte. Da kamen zwar zwei Jacken und ein Handy im Unperfekthaus weg – wir hatten das Haus aber nicht für uns allein! – doch es wurde sofort gespendet. Auch stahlen sich die Teilnehmer nicht aus dem Haus, sondern räumten nach der Abschlusssession brav mit auf. Da war es egal, ob Sponsor, Orga oder Teilnehmer – alle waren auf einer Augenhöhe und halfen einander. Daher an alle ein großer Dank! Hoffentlich bekommen wir auch nächstes Jahr wieder ein tolles BarCamp Ruhr hin. Kommt also alle ins Ruhrgebiet! Is‘ schön hier. Leider kam das Motto etwas zu kurz, aber Spaß hatten wir trotzdem.

Weiterführende Links:

Fotos:

Die Sponsoren im Überblick:

Dot Ruhr

REWE digital
sipgate.io
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Erdfisch




Agile Ruhr
Sparhandy


Invision

Kreative Kommunikationskonzepte

9 Elements

achtung! lab

Ihnen gefällt dieser Beitrag? Teilen Sie Ihn gerne.